Wie nachhaltig sind erdlose Anbausysteme?

In meinem vorherigen Beitrag habe ich mir die Literatur zum Nährstoffgehalt von Obst und Gemüse aus erdlosen Produktionssystemen (Hydroponik) angeschaut. Es gibt noch nicht so viele Daten dazu, aber es scheint, dass diese Form der Produktion mit den im Boden produzierten Lebensmitteln Schritt halten kann. Während ich diesen Beitrag schrieb, fragte ich mich immer mehr, wie umweltfreundlich eine solche Produktion sein könnte. Also werde ich in diesem Artikel zusammenfassen, was ich zu dieser Frage gefunden habe. Da die erdlose Produktion oft im Rahmen von geschütztem Anbau in Gewächshäusern mit Temperatur- und Lichtsteuerung durchgeführt wird, werde ich auch auf die Nachhaltigkeit dieser Form eingehen.

Ressourceneffizienz

Mit Ressourceneffizienz meine ich, wie viel von den Inputs für die Produktion einer Fruchteinheit benötigt wird. Die Ressourcen umfassen Wasser, Nährstoffe, Substrat, Raum, Energie und andere. Ich gehe einige dieser Faktoren durch, um Vor- und Nachteile hinsichtlich der erdlosen Produktion zu beurteilen.

Wasser

Wenn ein geschlossenes erdloses System verwendet wird, bleibt das Wasser grösstenteils im System und tritt nicht unkontrolliert aus. Ein geschlossenes System benötigt im Vergleich zu offenen erdlosen Systemen oder der konventionellen Produktion im Erdboden viel weniger Wasser, da es nicht im Boden verloren geht und auch die Verdunstung ist geringer [1]. Eine Studie simulierte den Wasserverbrauch einer konventionellen und hydroponischen Salatproduktion und stellte fest, dass das hydroponische System 13 Mal weniger Wasser verbraucht als die herkömmliche Produktion [2]. Eine weitere Studie untersuchte den Wasserverbrauch verschiedener Tomatenanbausysteme und stellte fest, dass geschlossene Systeme erheblich weniger Wasser verbrauchen [3]. Auch wenn die Tomaten im Boden eines Gewächshauses angebaut wurden, benötigten sie im Vergleich zur Freilandproduktion weniger Wasser.
Die Tatsache, dass geschlossene erdlose Systeme eine hohe Wassereffizienz aufweisen, macht sie für Gebiete mit trockenem Klima interessant.

Nährstoffe

Wie im vorherigen Artikel besprochen, können die Nährstoffe in geschlossenen erdlosen Produktionssystemen recycelt werden und gehen nicht im Boden und über den Wasserfluss verloren. Gleichzeitig ist die Anpassung der Nährlösung komplex und erfordert typischerweise unterschiedliche Teilnährlösungen, die miteinander vermischt werden. Die Herstellung dieser Lösungen benötigt Ressourcen und Energie, aber auch bei vielen Anbaumethoden mit Erde werden solche Düngemittel eingesetzt.
Eine Alternative zu chemisch hergestellten Düngemitteln sind organische Düngemittel wie Kompost oder Gülle. In erdlosen Systemen ist die Anwendbarkeit von organischen Düngemitteln jedoch begrenzt. Zum einen kann es schwierig sein, die Nährlösung mit einer so komplexen Mischung aus natürlichem Dünger wie Kompost oder Gülle anzupassen. Zweitens müssen einige Komponenten in diesen Düngemitteln zuerst durch Mikroorganismen umgewandelt werden, bevor Pflanzen sie verwenden können. Diese Umwandlung in erdlosen Systemen kann aufgrund der geringeren Anzahl von Mikroorganismen sehr begrenzt sein. Einige Forscher haben jedoch bereits versucht, Mikroorganismen in hydroponische Systeme einzuführen, um organische Düngemittel zu verwenden, und es schien für sie zu funktionieren [4].
Im Prinzip können die Nährstoffe in geschlossenen erdlosen Systemen sehr effizient eingesetzt werden, da die Verluste sehr begrenzt sind, aber es ist unklar, in welchem Ausmass organische Düngemittel praktisch verwendet werden können.

Anbausubstrat

Anstelle von Erde wachsen die Pflanzen in erdlosen Systemen in einem Substrat, das den Wurzeln eine gewisse Struktur bietet und als Puffer dient, der einige der verwendeten Nährlösungen kurzzeitig speichert. Egal welches Substrat in einem erdlosen System verwendet wird, sei es Steinwolle, Torf oder Kokosfasern, es muss irgendwie produziert und transportiert werden. Nach seiner Verwendung wird das Substrat meist entsorgt und dort ergeben sich bei einigen Substraten Bedenken, da sie nicht abgebaut werden, wie Steinwolle [5]. Für andere Substrate wie Kokosfasern stellt sich die Frage, ob es ökologisch sinnvoll ist, sie über weite Strecken zu transportieren. Für mich scheint es also, dass die Verwendung einer lokalen Ressource wie Erde verglichen mit irgendeinem Substrat immer noch gewisse Vorteile hat. Substrate haben jedoch noch einen weiteren Vorteil: Sie sind typischerweise frei von Bodenlebewesen und enthalten daher keine Krankheitserreger.

Raum

Erdlose Systeme sind sehr flexibel in Bezug auf den Raum. Sie können als vertikale Gärten gestapelt oder auf einer versiegelten Fläche gebaut werden. Dies reduziert den Platzbedarf im Vergleich zur klassischen Feldproduktion. Ein Kompromiss könnte sein, Erde wie ein Substrat zu verwenden und sie in Behälter zu geben, wie wir es bereits bei Topfpflanzen tun. Was dann wahrscheinlich keinen grossen Unterschied mehr zwischen einer Produktion mit oder ohne Boden bedeutet. Ein weiterer wichtiger Punkt bei der vertikalen Stapelung von Pflanzen ist jedoch, ob die Pflanzen genügend Licht bekommen, um gut zu wachsen. In vertikalen Strukturen kann das Licht unter Umständen die Pflanzen wegen dem Schattenwurf und der Sonnenbahn nicht optimal erreichen.

Pflanzenschutz

Einer der grössten Vorteile von erdlosen Systemen ist das Fehlen von bodenbürtigen Krankheitserregern. Diese Organismen können für die Produktion schädlich sein und zu grossen Verlusten führen. Daher ist in der Freilandproduktion die Fruchtfolge sehr wichtig, um die Vermehrung von bestimmter Krankheitserreger zu hemmen. Durch den abwechselnden Anbau von verschiedenen Pflanzenfamilien wird ein Krankheitserreger, der auf einer bestimmten Pflanze gedeiht, abnehmen, wenn keine geeignete Pflanze verfügbar ist. In einigen Fällen muss der Boden mit Dampf oder Chemikalien behandelt werden, um die Krankheitserreger loszuwerden. In der erdlosen Produktion enthält das Substrat keine bodenbürtigen Krankheitserreger und somit kann der Pflanzenschutz reduziert werden, aber dies ist noch keine Garantie dafür, dass keine Wurzelkrankheiten auftreten. Darüber hinaus kann die aquatische Umwelt in erdlosen Systemen andere Arten von Krankheitserregern begünstigen, die normalerweise im Boden nicht vorhanden sind [6].
Ein Vorteil des geschützten Anbaus in Gewächshäusern, sei es mit oder ohne Erde, ist eine bessere Kontrolle über mögliche Kontaminationen mit Krankheitserregern. Wind kann Sporen von Mikroorganismen mit sich bringen, die auf Pflanzen wachsen und Schäden verursachen können. Regen verändert das Mikroklima und trägt somit zum Wachstum von Pflanzenpathogenen bei.

Energie

Die Produktion und der Transport von Inputs (z.B. Wasser und Nährstoffe) zu den Anbausystemen verbraucht bereits etwas Energie. Die Produktion von Stickstoffdünger zum Beispiel ist ziemlich energieintensiv (siehe meinen anderen Beitrag). Da geschlossene erdlose Systeme fast keinen Verlust von Düngemitteln haben, benötigen sie weniger, was wiederum weniger Energie verbraucht. Bei erdlosen Systemen besteht aber ein anderer Energiebedarf. Das Pumpsystem welches die Nährlösungen zu den Pflanzen bringt braucht ständig elektrische Energie. Dies macht erdlose Systeme sehr abhängig von Strom und im Falle eines Stromausfalls können grosse Verluste auftreten.
Bei der Temperaturkontrolle und der künstlichen Beleuchtung wird zusätzliche eine grosse Menge Energie gebraucht. In Gewächshäusern ist eine Heizung üblich und oft wird auch eine Zusatzbeleuchtung verwendet. In einigen Fällen werden Pflanzen nur mit künstlicher Beleuchtung aufgezogen. Eine Studie schätzt, dass eine erdlose Salatproduktion mit Heizung und zusätzlicher Beleuchtung zehnmal so viel Salat produziert, aber 80 Mal mehr Energie verbraucht als die herkömmliche Produktion [2], was bedeutet, dass die Produktion mit solchen Hydrokulturen viel weniger energieeffizient ist.

Fazit

Um die ökologische Nachhaltigkeit zu bewerten, müssen viele Faktoren berücksichtigt werden. Erdlose Systeme verbrauchen weniger Wasser und Nährstoffe, wenn sie geschlossen sind, dafür benötigen sie aber spezielle Substrate, teure Infrastruktur und viel Energie. Wenn Gewächshäuser beheizt werden und künstliche Beleuchtung genutzt wird, steigt der Energieverbrauch dramatisch an, was die Nachhaltigkeit eines solchen Systems verringert. Aber es hängt auch davon ab, woher die Energie kommt. In einigen Fällen sind Gewächshäuser mit Müllverbrennungsanlagen gekoppelt, so dass sie die Wärmeenergie direkt genutzt werden kann [7]. Die derzeitigen erdlosen Systeme sind auch auf einige wenige wertvolle Nutzpflanzen (z. B. Salat, Tomaten, Erdbeeren) beschränkt und es ist unwahrscheinlich, dass die Pflanzen der drei Grundnahrungsmittel – Weizen, Reis und Mais – in grossem Massstab in endlosen Systemen produziert werden, da die Infrastrukturkosten hoch sind und der Marktpreis für diese drei Kulturen niedrig ist. Zum Beispiel sagt der Agrarforscher Louis Albright von der Cornell University, dass die Verwendung von hydroponischen Systemen mit künstlicher Beleuchtung, um genug Weizen für einen Laib Brot zu produzieren, 23 US $ (!) kosten würde, was weit über dem liegt, was wir bereit wären zu zahlen [8].

In Trockengebieten mit schlechten Böden, wo sonst keine Nahrung produziert werden kann, könnte eine erdlose Produktion eine Option sein, wenn Energie auch an Ort und Stelle hergestellt werden kann, z. B. durch Photovoltaik. Aber diese unnatürlichen Systeme, so produktiv sie auch sein mögen, sind auch ziemlich anfällig und hängen von sehr spezifischen Produktionsmittel ab. Sie können sich nicht selbst erhalten, wie es natürliche Systeme können.

Erdlose Produktion wird manchmal als umweltfreundlich angesehen, weil sie weniger Wasser und Nährstoffe verwendet, aber wir sollten vorsichtig sein und versuchen, alle externen Effekte zu berücksichtigen. Dennoch finde ich erdlose Systeme interessant und werde deren Entwicklung verfolgen. Gleichzeitig sind sie von natürlichen Systemen weit entfernt und ich denke, dass die Produktion im Boden sehr wichtig bleibt. Daher halte ich es für entscheidend, dass wir weiterhin nach Wegen suchen, Lebensmittel sowohl wasser- als auch nährstoff- und energieeffizient herzustellen. Das können Produktionsformen mit oder ohne Erde sein, nichtsdestotrotz sollte die Regeneration unserer beschädigten Böden eine hohe Priorität haben, schliesslich wird der grösste Teil unserer Nahrung auf ihnen produziert.
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Und bleib gesund ?
Christoph

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Referenzen

[1] Burrage, S. W. (1998). Soilless culture and water use efficiency for greenhouses in arid, hot climates. In International Workshop on Protected Agriculture in the Arabian Peninsula, Doha (Qatar), 15-18 Feb 1998. ICARDA.

[2] Barbosa, G. L., Gadelha, F. D. A., Kublik, N., Proctor, A., Reichelm, L., Weissinger, E., … & Halden, R. U. (2015). Comparison of land, water, and energy requirements of lettuce grown using hydroponic vs. conventional agricultural methods. International journal of environmental research and public health, 12(6), 6879-6891.

[3] Pardossi, A., Tognoni, F., & Incrocci, L. (2004). Mediterranean greenhouse technology. Chronica Horticulturae, 44(2), 28-34.

[4] Shinohara, M., Aoyama, C., Fujiwara, K., Watanabe, A., Ohmori, H., Uehara, Y., & Takano, M. (2011). Microbial mineralization of organic nitrogen into nitrate to allow the use of organic fertilizer in hydroponics. Soil Science and Plant Nutrition, 57(2), 190-203.

[5] Resh, H. M. (2012). Hydroponic food production: a definitive guidebook for the advanced home gardener and the commercial hydroponic grower. CRC Press.

[6] Vallance, J., Déniel, F., Le Floch, G., Guérin-Dubrana, L., Blancard, D., & Rey, P. (2011). Pathogenic and beneficial microorganisms in soilless cultures. In Sustainable Agriculture Volume 2 (pp. 711-726). Springer, Dordrecht.

[7] https://www.srf.ch/sendungen/kassensturz-espresso/themen/umwelt-und-verkehr/hydrosalat-ist-unter-umstaenden-am-umweltfreundlichsten

[8] http://news.cornell.edu/stories/2014/02/indoor-urban-farms-called-wasteful-pie-sky

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