Qualität von Produkten, die nicht in Erde wachsen

Wenn wir Obst und Gemüse kaufen, ist es manchmal nicht klar, ob sie von Pflanzen stammen, die jemals den Boden berührt haben oder nicht. Ich wollte etwas mehr über das Thema der erdlosen Nahrungsmittelproduktion recherchieren und was ich in der wissenschaftlichen Literatur gefunden habe, werde ich in diesem Artikel zusammenfassen und mit dir teilen. Mich interessiert es sehr, zu verstehen, welchen Einfluss es auf die Qualität der Pflanzen hat, ob sie im Boden gewachsen sind oder nicht. Ich werde zunächst kurz erdlose Produktionssysteme vorstellen und dann mit einer Zusammenstellung von Studien fortfahren, die den Nährwert solcher Erzeugnisse analysieren.

Es braucht vier entscheidende Faktoren, damit Pflanzen gut gedeihen: Erde, Sonne, Luft und Wasser. Der Boden (oder die Erde) stellt eine Struktur zur Verfügung, in der die Pflanze die Wurzeln verankern kann, ausserdem liefert er Luft und Nährstoffe, die für das Wachstum von grundlegender Bedeutung sind. Die Sonne ist die Energiequelle, mit der die Pflanzen im Prozess der Photosynthese Kohlenhydrate aus Kohlendioxid aufbauen. Schliesslich hilft das Wasser, Nährstoffe zu transportieren, die Temperatur zu regulieren und den Pflanzenkörper zu stabilisieren. Zudem nimmt Wasser nimmt auch an metabolischen Reaktionen teil. Während in der Natur all diese Faktoren für die meisten Pflanzen lebenswichtig sind, ist es in künstlichen Systemen möglich, Pflanzen ohne Erde anzubauen – daher der Name erdlose Landwirtschaft.

Es gibt verschiedene Formen der erdlosen Landwirtschaft:
• Hydrokultur
• Aeroponik
• Aquaponik

In der Hydrokultur wird der Boden durch ein Substrat ersetzt, beispielsweise Kokosfasern oder Steinwolle. Auf dieses Substrat wird regelmässig eine gut angepasste Nährlösung gegeben, damit die Pflanzen optimal wachsen können (streng genommen bedeutet Hydrokultur das Wachsen nur in Nährlösung, der Begriff wird häufig aber auch für Anbau auf Substrat verwendet). Bei aeroponischen Systemen hingegen sind die Pflanzen auf einem Trägersystem montiert, ihre Wurzeln hängen dabei frei in der Luft und werden regelmässig mit einer Nährlösung besprüht. Aquaponics ist eine Kombination aus einer Fischzuchtanlage und der Pflanzenproduktion. Die Abfälle aus der Fischproduktion dienen als Nährstoffe für die Pflanzen, die typischerweise in einem Trägersystem hängen, ähnlich wie aeroponische Systeme. Die erdlose Produktion von Nahrungspflanzen ist in Gewächshäusern üblich wo eine intensive Produktion erwünscht ist und daher die Kontrolle vieler Wachstumsbedingungen vorteilhaft ist.
Man könnte meinen, dass der Anbau von Pflanzen ohne Erde eine moderne Methode der Kultivierung ist, jedoch wurden solche Techniken bereits in ägyptischen Hieroglyphen hunderte von Jahren vor Christus beschrieben. [1]. Mit der heutigen modernen Technologie kann die erdlose Produktion sehr effizient gestaltet werden, wobei bestimmte Vorteile gegenüber der Bodenproduktion genutzt werden können. Der grösste Vorteil besteht darin, mehr Kontrolle über die Umgebung der Pflanzen zu haben, und somit ist die Bekämpfung von Schädlingen und Krankheitserregern einfacher. Ferner kann die Nährlösung genau eingestellt werden. Auf der anderen Seite können erdlose Systeme sehr komplex und mit hohen Kosten für die Installation verbunden sein, daher ist es meist nur interessant, wertvolle Pflanzen wie Tomaten, Paprika (Peperoni) oder Salat anzubauen. Hier ist eine nicht abschliessende Übersicht von Vor- und Nachteilen der erdlosen Kultivierung:

Vorteile der erdlosen Landwirtschaft

  • Kontrolle der Nährstoffe
  • Keine Düngerverluste durch Versickerung oder Ausschwemmungen (nicht verbrauchte Lösung kann recycliert werden)
  • Keine Bodenerosion
  • Reduzierte Bekämpfung von Krankheiten und Unkraut erforderlich
  • Bessere Ergonomie, wenn Früchte in angenehmer Höhe gepflückt werden können
  • Keine Notwendigkeit für fruchtbaren Boden
  • Längere Haltbarkeit der Produkte

Nachteile

  • Erfordert die Herstellung von Substrat- und Nährlösungen
  • Wiederkehrende Kosten für Substrat und Nährstoffe
  • Energiezufuhr, um das System am Laufen zu halten
  • Hohe anfängliche Investitionskosten
  • Fachwissen erforderlich

Die erdlose Produktion hat in den letzten Jahren stark zugenommen und viele Menschen essen diese Pflanzen regelmässig, oft ohne es zu wissen [2,3]. In diesem Artikel liegt der Schwerpunkt auf der Qualität von Früchten und Gemüsen die erdlos produziert wurden. In einem späteren Artikel werde ich dann auf die Nachhaltigkeit solcher Systeme eingehen.

Qualität

Im Prinzip bietet ein erdloses System viel Kontrolle über die Nährstoffzufuhr und einige weitere Vorteile bei der Produktion. Lass uns aber mal sehen, was die Forscher hinsichtlich der Qualität von erdlosen Produkten herausgefunden haben.

Tomaten und Paprika

Ein Artikel aus dem Jahr 2009 fasst viele Studien zusammen, die Qualitätsparameter wie Mineral- und Vitamingehalt, Geschmack, Zuckergehalt und andere untersuchten [4]. In den meisten Studien wurde kein Unterschied zwischen konventioneller Boden- und erdloser Kultivierung beobachtet, aber einige Studien zeigten einen besseren Vitamingehalt, Geschmack und höheren Zuckergehalt für Produkte, die ohne Erde angebaut wurden.
Bei Paprika sind die Ergebnisse ähnlich: höherer Zuckergehalt, mehr phenolische Verbindungen und höherer Vitamin C-Gehalt zusammen mit einem höheren Gehalt an Antioxidantien in Produkten aus erdlosen Systemen, verglichen mit der Produktion mit geringem Ressourceneinsatz und biologischer Produktion [5]. Ein solcher Unterschied kann jedoch auch von der Paprikasorte abhängen, da einige Sorten für die erdlose Produktion besser geeignet sind [6].
Abgesehen von der Wachstumsphase ist auch die Reifung der Früchte wichtig für deren Qualität. Eine Studie untersuchte die Reifung von hydroponisch erzeugten Tomaten und fand heraus, dass Früchte, die an der Pflanze gereift waren, mehr des Antioxidans Lycopin enthielten [7].

Salat

Bei Salat wurde beobachtet, dass Vitamin C und E in Salat, der erdlos produziert wurde, im Vergleich zur Bodenproduktion erhöht waren, zusammen mit einem erhöhten Gehalt an phenolischen Verbindungen [8, 9]. In einer anderen Studie bewertete ein sensorisches Gremium Geschmack, Geruch und visuelle Qualität von Salat, fand jedoch keine Unterschiede zwischen erdlos und auf dem Boden gewachsenen Pflanzen [10]. Ein Vorteil der erdlosen Produktion ist der Wegfall von bodenbürtigen Krankheiten. Dies kann auch zu einer besseren Qualität nach der Lagerung beitragen [8]. In einigen Fällen wird Salat nicht geschnitten, sondern mit den Wurzeln verkauft, was auch dazu beiträgt, die Qualität über längere Zeit zu erhalten.

Erdbeeren

Für Erdbeeren ergibt sich ein ähnliches Bild: mehr Vitamine C und E und erhöhte phenolische Verbindungen in Produkten aus erdloser Produktion [11]. Der Gehalt an bioaktiven Verbindungen in den Früchten kann sogar durch die Nährlösung eingestellt werden. Eine Studie hat beispielsweise gezeigt, dass die Begrenzung von Phosphor und Eisen den Gehalt an Phenolen in den Früchten erhöhte [12]. Zusätzlich zu den Unterschieden im Nährstoffgehalt konnten die Teilnehmer einer Studie auch zwischen hydroponischen und erdgewachsenen Früchten unterscheiden und bevorzugten die erdlos produzierten [11]. Dies zeigt, dass auch der Geschmack von Früchten, die ohne Erde gezogen sind, herkömmliche Erdbeeren übertreffen kann.

Fazit

Dieser kurze Überblick zeigt, dass ohne Boden gewachsene Produkte zumindest in den analysierten Nährstoffen und im Geschmack mithalten können. Dies kann nicht für jede hydroponisch produzierte Frucht gelten, da der hydroponische Anbau komplex ist und Fehler gemacht werden können. Und obwohl wir viele Dinge über Pflanzen und menschliche Ernährung wissen, gibt es wahrscheinlich noch viele Dinge, die wir nicht wissen, die eine wichtige Rolle bei der Ernährung von Pflanzen und von uns selbst spielen könnten. Die grundlegenden Faktoren, die das Nährstoffprofil und den Geschmack beeinflussen sind: die Sorte, zugängliche Nährstoffe und Wachstumsbedingungen wie Licht, Temperatur und Feuchtigkeit. Einige Systeme wenden künstliche Beleuchtung an, die somit auch die Qualität verändern kann. Manchmal kann die Manipulation von zugänglichen Nährstoffen, um eine interessante Verbindung in einer Pflanze zu erhöhen, zu einer Verringerung des Ertrags führen. Zum Beispiel kann ein erhöhter Salzgehalt in der Nährlösung eine Pflanze dazu anregen, mehr Antioxidantien zu produzieren, aber gleichzeitig die Biomasseproduktion begrenzen [13].

Da viele Faktoren die Verbindungen in Produkten beeinflussen, erlauben die begrenzten zur Verfügung stehenden Forschungsergebnisse nicht wirklich eine allgemeine Schlussfolgerung bezüglich der Qualität von Lebensmitteln, die in erdlosen Systemen produziert werden. Es stimmt, dass sich die erdlose Produktion nicht sehr natürlich anhört, aber auf der anderen Seite gibt es gewisse Vorteile. Vor allem der reduzierte Druck von Krankheitserregern und Schädlingen, der wiederum eine Senkung der Pflanzenschutzmassnahmen ermöglicht. Und die Verwendung von keinen oder weniger Pestiziden kommt schliesslich der Qualität der Produkte zugute, indem die toxische Belastung der Nahrung, die wir essen, reduziert wird. Da diese Reduktion von Pestiziden auch ein Merkmal biologischer Produkte ist, wäre es interessant, einen Qualitätsvergleich zwischen erdlosen und biologischen landwirtschaftlichen Systemen zu untersuchen (und auch mit Permakultursystemen zu vergleichen).

Für eine gesunde Ernährung scheint es angesichts des aktuellen Wissensstandes wichtiger zu sein, genug Obst und Gemüse zu essen, egal ob sie mit oder ohne Boden angebaut wurden (obwohl es gut ist, sicherzustellen, dass die Pflanzen biologisch sind, um die toxische Belastung zu reduzieren). Es ist auch nicht immer offensichtlich, ob ein Erzeugnis aus einem hydroponischen oder konventionellen System stammt, da eine Kennzeichnung möglicherweise nicht erforderlich ist. Bei Bio Produkte hingegen, gibt eine gewisse Sicherheit, dass weniger Toxine enthalten sind, als bei konventioneller Produktion. In vielen Ländern dürfen Gemüse und Früchte aus der erdlosen Produktion nicht als biologisch bezeichnet werden (wie z.B. in der Schweiz [14]). Eine Ausnahme bilden die Vereinigten Staaten von Amerika, wo es möglich ist, Lebensmittel aus der erdlosen Produktion als Bio Produkte zu verkaufen [15].

Dieser Beitrag konzentrierte sich auf den Nährwert von Lebensmitteln aus der erdlosen Produktion. Während des Schreibens habe ich mich mehr und mehr mit der Nachhaltigkeit von erdlosen Systemen beschäftigt, was mich ermutigt hat, im nächsten Beitrag mehr darüber zu schreiben. Also bleib gespannt! 🙂

Lass uns wissen, was du zu diesem Thema denkst!
Und bleib gesund 🙂
Christoph

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Referenzen

[1] Raviv, M., Lieth, J. H., & Raviv, M. (2008). Significance of soilless culture in agriculture. Soilless culture theory and practice, 1-11.

[2] https://www.landwirtschaft.ch/wissen/pflanzen/gemuesebau/anbauformen/hors-sol/

[3] Resh, H. M. (2012). Hydroponic food production: a definitive guidebook for the advanced home gardener and the commercial hydroponic grower. CRC Press.

[4] Gruda, N. (2009). Do soilless culture systems have an influence on product quality of vegetables?.

[5] Flores, P., Hellín, P., Lacasa, A., Lopez, A., & Fenoll, J. (2009). Pepper antioxidant composition as affected by organic, low‐input and soilless cultivation. Journal of the Science of Food and Agriculture, 89(13), 2267-2274.

[6] López, A., Fenoll, J., Hellín, P., & Flores, P. (2014). Cultivation approach for comparing the nutritional quality of two pepper cultivars grown under different agricultural regimes. LWT-Food Science and Technology, 58(1), 299-305.

[7] Arias, R., Lee, T. C., Specca, D., & Janes, H. (2000). Quality comparison of hydroponic tomatoes (Lycopersicon esculentum) ripened on and off vine. Journal of Food Science, 65(3), 545-548.

[8] Selma, M. V., Luna, M. C., Martínez-Sánchez, A., Tudela, J. A., Beltrán, D., Baixauli, C., & Gil, M. I. (2012). Sensory quality, bioactive constituents and microbiological quality of green and red fresh-cut lettuces (Lactuca sativa L.) are influenced by soil and soilless agricultural production systems. Postharvest Biology and Technology, 63(1), 16-24.

[9] Buchanan, D. N., & Omaye, S. T. (2013). Comparative study of ascorbic acid and tocopherol concentrations in hydroponic-and soil-grown lettuces. Food and Nutrition Sciences, 4(10), 1047.

[10] Murphy, M. T., Zhang, F., Nakamura, Y. K., & Omaye, S. T. (2011). Comparison between hydroponically and conventionally and organically grown lettuces for taste, odor, visual quality and texture: A pilot study. Food and Nutrition Sciences, 2(02), 124.

[11] Treftz, C., & Omaye, S. T. (2015). Comparison between Hydroponic and Soil-Grown Strawberries: Sensory Attributes and Correlations with Nutrient Content. Food and Nutrition Sciences, 6(15), 1371.

[12] Valentinuzzi, F., Mason, M., Scampicchio, M., Andreotti, C., Cesco, S., & Mimmo, T. (2015). Enhancement of the bioactive compound content in strawberry fruits grown under iron and phosphorus deficiency. Journal of the Science of Food and Agriculture, 95(10), 2088-2094.

[13] Colla, G., Rouphael, Y., Cardarelli, M., Svecova, E., Rea, E., & Lucini, L. (2013). Effects of saline stress on mineral composition, phenolic acids and flavonoids in leaves of artichoke and cardoon genotypes grown in floating system. Journal of the Science of Food and Agriculture, 93(5), 1119-1127.

[14] https://www.bio-suisse.ch/de/konsumenten/allgemeinefragenbiolandbau/#7

[15] http://www.businessinsider.com/hydroponic-grown-food-organic-labels-2017-11

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